cinegeek.de's Movie Review of 1900 ( Novecento )

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1900 ( Novecento )

Klassenkampf
cinegeek.de - wrote on 09/18/16

Our Daily Free Stream: Bernardo Bertolucci - 1900. Welch höchste Hoffnungen inspirierte Bertoluccis 1900 seinerzeit? Das Wunderkind seiner Generation, der mit einer Polit-Parabel und einem Erotik-Drama als grösster lebender Künstler gefeiert wurde. Und dann? Bertolucci durfte seine Schauspieler, darunter Gerard Depardieu, Robert De Niro und sogar Burt Lancaster, frei wählen und bekam ein unbeschränktes Budget. Das Ergebnis enttäuschte seine Zeitgenossen. Bertolucci hatte sich verhoben. Tatsächlich? Man kann nachlesen, wie die Weltpremiere während des Festivals von Cannes 1976 mit Spannung erwartet wurde, wie der Schwarzmarkt blühte. Produzent Alberto Grimaldi hatte bereits Erfahrungen mit überlangen Filmen - doch dieses Mal trug er die Last eines Epos, das sich nicht vermarkten liess. Er kürzte das Werk von 320 Minuten auf 240. War das womöglich sogar ein Segen? Immerhin ging 1900 ein in die Annalen der verlorenen Klassiker. Grimaldi als der zensierende Bösewicht, Bertolucci als das verkannte Genie. 1900, ein Werk, das Stunden braucht, um den Klassenkampf in Italien auf den Punkt zu bringen und letztlich ziemlich wahnwitzig endet. Alles beginnt am Tag von Verdis Tod (was für eine billige Symbolik!). Zwei Söhne in zwei Familien werden geboren, die eine reich, die andere bäuerlich. Sie wachsen gemeinsam auf, fangen Frösche, sind noch unschuldig. Erstaunlicherweise gelingt es uns aber nicht, so etwas wie Empathie für beide zu empfinden. Robert De Niro und Gerard Depardieu spielen die Jungs, Burt Lancaster und Sterling Hayden ihre Väter. Die Väter sterben, die Söhne werden zu Erben. Im Hintergrund greift Mussolini nach der Macht. Im Ort agiert ein Faschist (Donald Sutherland), der für De Niro arbeitet, während Depardieu Kommunist ist. Ein paar Intrigen, Hochzeiten, Todesfälle und Geburten später, heiratet De Niro eine wunderschöne Frau (Dominique Sanda), während Sutherland an ihrem Freudentag ein Kind ermordet (und die Schuld auf Depardieu schiebt). All das wird eingefangen von einer Kamera, die ganz entgegen epischer Konventionen niemals verharrt, sondern munter von Schauplatz zu Schauplatz tollt - so als könne sie es nicht erwarten. Narration? Wohl eher Kuddelmuddel. Wer sich davon aber nicht abschrecken lässt, wird merken, dass zahlreiche Ideen im Hinterkopf bleiben. Wie Depardieu eine Wurst nach De Niro wirft oder Sutherland in einem Gewaltausbruch eine Katze tötet. Es scheint nur so, als ob 1900 weder Richtung noch Ziel kennen würde. Während wir ratlos staunen, sind Bertoluccis Tableaus bereits tief im Gedächtnis eingebrannt. Bertolucci hatte bis dahin Kammerspiele gefilmt und versucht hier gar nicht erst, sein Material zu ordnen. 1900 ist ein ausgelassenes Chaos und wird uns einfach so hingeworfen! Der Regisseur taucht dabei sehr wohl ein in die Psyche seiner Hauptfiguren. Jedoch weigert er sich, die Rahmenhandlung aufzubreiten und überlasst das uns. Am Ende wirken seine beiden Söhne reichlich lächerlich und genauso herbeigeholt wird ein Ende drangeklebt. 1900 ein Film, der alle Konventionen über Bord wirft und beweist, dass Film eben mehr ist als Narration. Sind bleibende Bilder und erstaunliche Eindrücke aber nicht viel interessanter?

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