cinegeek.de's Movie Review of Barbara

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Barbara

Suspense
cinegeek.de - wrote on 09/08/16

Our Daily Free Stream: Christian Petzold - Barbara (engl. subt.). Die Frau sitzt im Park, die Beine übereinander geschlagen, rauchend, entspannt. Zwei Männer beobachten sie von oben aus dem Fenster und diskutieren: "Wäre sie sechs Jahre alt, würde man das Schmollen nennen"; sagt der eine über sie. "Ihre Inhaftierung wirkte sich zersetzend auf ihren Freundeskreis aus". Die Dame wird die beiden Männer treffen. "Sie wird nicht eine Minute zu früh kommen. Sie ist eben so". Ein redegewandter Austausch - genauso eloquent gefilmt. Wir sehen die Frau während einer langen Einstellung von oben. Sie weiss, dass sie beobachtet wird. Ihre "Entspannung", nichts als Theater. So funktioniert die Eröffnungs-Szene in Christian Petzolds psychologischem Thriller Barbara. Spannung und Atmosphäre werden präzise dargestellt durch Petzolds Minimalismus. Wie so oft in seinen Filmen spielt Nina Hoss die Titelfigur. Die strenge Blondine verkörpert eine Ärztin, die verhaftet wurde, weil sie ein Visum beantragte. Sie lebt in einem Apartment, das ihr der Staat zuteilte unter permanenter Aufsicht der Stasi. Wir befinden uns in Ost-Deutschland 1980. Die Klinik, in der Barbara arbeitet, wird geleitet durch den freundlichen und attraktiven Andre (Ronald Zehrfeld). Er ist Informant der Staatssicherheit, wohl aber kein Überzeugungstäter. Gern würde er selbst mal nach Den Haag reisen, um einen Rembrandt im Original zu betrachten. Doch er weiss, dass solch eine Reise in weiter Ferne steht. Andre erinnert sich noch ganz genau an Barbaras erste Schicht, als sie bei einem Mädchen (Jasna Fritzi Bauer) Hinrhautentzündung diagnostizierte. Die kühle Blondine - während der Arbeit wandelt sie sich zu einem ganz anderen Menschen. Das Mädchen, das aus einem sozialistischen Camp floh, sie bekommt die freundschaftliche Unterstützung Barbaras. Nachts liest sie der Patientin vor aus Huckleberry Finn (wohl bemerkt!). Nina Hoss, die wohl grösste deutsche Schauspielerin ihrer Zeit! Angespannt, nervös, von leuchtender Intelligenz. Dann fliegt ein Lächeln über ihr Gesicht - dessen Schönheit uns ganz warm ums Herz werden lässt. In so vielen Petzold Filmen spielte Hoss bis heute, nie aber zeigte sie uns einen Charakter zwei Mal. - In der DDR um 1980 ist keinem Menschen zu trauen. Das Gefühl dieser Bedrücktheit, Petzold lässt es durch sein Sound Design ganz nahe an uns herantreten. Nie habe ich das Geräusch einer Türklingel so schaurig gehört! Der Wind, das Echo von Schritten, das Geräusch von Fahrradreifen auf einem Kiesweg... Petzold verzichtet auf einen Score. Musik hören wir nur aus dem Radio - wenn Barbara ihr neues Gerät allein in ihrer Wohnung ausprobiert. Barbaras Vermieterin starrt ihr mit kaltem Blick hinterher, aufeinmal erscheint unangemeldet ein Klavierstimmer. Barbara rastet aus - jeder menschliche Kontakt bedeutet hier Gefahr! Alles erregt Verdachtsmomente. Die heimliche Romanze zwischen Barbara und Andre; wir haben permanent das Gefühl, sie würden auffliegen. Barbara, ein Film mit Suspense - ohne aber die üblichen Genre-Formeln zu benutzen. Einmal untersucht Andre einen Jungen, der sich umbringen wollte. Andre gesteht Barbara, dass etwas schief laufen würde. Man könnte das auf den gesamten Film übertragen. Etwas läuft schief in der DDR und jeder kann es spüren. Barbaras Welt und die aller DDR Bürger ist die der totalen Kontrolle. Es gibt eine Diskrepanz zwischen "privat" und "öffentlich". Petzold ist der Meister im Kreieren solch unterschwelliger Spannung. Sie ist nicht einfach so aufzulösen, noch können wir sie geradeaus benennen. Es hilft uns nicht einmal weiter, in die Charaktere einzudringen. Nie hat Petzold dieses Kunststück weiter vorangetrieben als in Barbara!

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