cinegeek.de's Movie Review of Winter Sleep ( Kis uykusu )

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Winter Sleep ( Kis uykusu )

Paradox
cinegeek.de - wrote on 03/15/16

Nuri Blige Ceylan ist zweifellos ein Weltklasse-Regisseur, aber er steigert sich nicht von Film zu Film, so wie viele behaupten. Ich finde, dass er auch vor über zehn Jahren schon Weltklasse war! Winter Sleep dauert über drei Stunden und man mag etwas Über-Ambitioniertes erwarten - doch, Winter Sleep hats wirklich! Ceylans bisher schönstes und klarstes Werk! Oberflächlich betrachtet, folgt Winter Sleep den typischen europäischen Arthaus Vorbildern mit einem männlichen Protagonisten, der in verschiedenen Stadien der Isolation gezeigt wird. Aydin (Haluk Bilginer), ein ehemaliger Theater Direktor, leitet nun ein Hotel in Kappadokien, Anatolien mit seinen bizarren Felsformationen, die aus der kargen Landschaft heraus ragen. Das Hotel wirkt ebenfalls wie eine Höhle. Hier lebt der Patriarch mit seiner viel jüngeren Frau Nihal (Melisa Sözen) und seiner frisch geschiedenen Schwester Necla (Demet Akbag). Die unangenehmen Aufgaben überlässt er seinen Angestellten, während er sich als alternder Intellektueller im Hintergrund hält (obwohl er aber alles kontrolliert). Seine Zeit widmet er Kolumnen sowie einem Buch-Projekt über das türkische Theater. Aydin wirkt zunächst durch seine joviale Art den Gästen gegenüber sympathisch und interessant. Bald wird aber deutlich, wie er Konflikten ausweicht. Hinter seiner Sanftheit verbergen sich Ignoranz und sogar Tyrannei. Zu Beginn sind wir nur etwas irritiert, etwa, wenn ein Junge die Scheibe von Aydins Auto einwirft, weil sein Vater so hoch bei ihm verschuldet ist. Durch den gesamten Film wird sich nun aber die Entschuldigung des Jungen strecken - und wir reagieren zunehmend verstört. Er sei "unerträglich, selbstsüchtig, gemein und zynisch", wirft seine Frau ihm vor. Zunehmend wird Aydins Charakter vor uns entblösst. Das Zentrum des Films bilden zwei unerträglich lebensnahe Streitgespräche: Das eine mit der Frau, das andere mit der Schwester. Brennend diskutiert der Film über Philosophie und das eigene Gefühlsleben! Am Ende bleibt von Aydin nicht viel: Ein vermeintlicher Schöngeist, der alles, auch die sozialen Projekte seiner Gattin in den Schmutz zu zieht. Winter Sleep ist ein Drama, in dem unendlich viel geredet wird. Teilweise auch in äusserst langen Passagen am Stück! Aber auch die Kamerarbeit und der Schnitt wirken ausgenommen frisch, ja wachsam! Das hier ist ein Werk des Kinos (nicht des Theaters). Das, was zählt, sind vor allem die Sequenzen zwischen den Worten. Hier werden keine Allgemeinplätze über Gefühle und Dysfunktionen ausgetauscht. Die Anhäufung der Bilder wirkt wie eine merkwürdig leere Behaglichkeit, eine Ödnis - das wiederum erweckt Necias Anklage gegenüber ihrem Bruder zum Leben: Um nicht zu leiden, betrüge er sich permanent selbst. Nicht das, was die Charaktere sagen, prägt Winter Sleep. Es ist die Art und Weise wie es gezeigt wird: Jeder vermeintlich banale Umstand kann uns in eine trostlose finstere Nacht hinein werfen - bevor wir überhaupt merken, was eigentlich los ist! Verzweiflung, so elend, dass es keinen Ausweg gibt als sich die Verzweifelung selbst zum Begleiter zu wählen. Ein Paradox? Ein schmerzhaftes Paradox, das Ceylan und sein Team künstlerisch spürbar werden lassen. die für uns schönsten und wichtigsten türkischen Arthaus Filme findest du in unserer Film List auf cinegeek.de

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