cinegeek.de's Movie Review of Bitter Moon

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Bitter Moon

Exzess
cinegeek.de - wrote on 04/20/16

Die Meinung der Kritik über Roman Polanskis Bitter Moon war einhellig. Man empfand den Film als grosse Peinlichkeit: Viel zu melodramatisch, zu gekünstelt, zu überdreht und das, was die Engländer "overacted" nennen. Polnski hatte sie alle verstört. Sein Portrait einer verfluchten Ehe sollte ein anspruchsvoller Porno sein und wurde...? Ich denke, das was die Kritiker am meisten störte, ist die Art, wie er seine eigene Frau Emmanuelle Seigner darstellt. Seigner spielt eine Verführerin mit Tendenzen zur schwarzen Witwe. Doch ist Bitter Moon wirklich so dreist und jenseits allen guten Geschmacks? Seigner kommt mir auch nicht fehlbesetzt vor - im Gegenteil! Vermutlich hätten die meisten anderen Schauspielerinnen Polanski die Rolle um die Ohren gehauen. Alles beginnt auf einem Kreuzfahrtschiff. Ein verbitterter Mann im Rollstuhl spricht einen Fremden an, um ihm die Geschichte seiner Ehe zu erzählen. Der Fremde würde gern fliehen, doch es gelingt ihm nicht. Zum einen ist er fasziniert von der Geschichte (und vor allem von der schönen Frau - eben Seigner). Zum anderen hat er Mitleid. Vielleicht ist er auch einfach nur zu gut erzogen? Der Trick des Mannes im Rollstuhl funktioniert ganz einfach: Er schaut seinem Gegenüber verwegen in die Augen, um seine sexuellen Eskapaden zu offenbaren (wobei er schliesslich den Blick ablenkt). Tag für Tag erzählt er einen Teil und wir erleben die Entwicklung einer Romanze, die sich zu einer gefährlichen Obsession steigert. Nur wo einmal Liebe war, kann Hass entstehen. Peter Coyote spielt Oscar, den Mann im Rollstuhl, als sarkastischen Betrunkenen voller Selbst-Ekel. Die Reize seiner Frau missbraucht er, damit der Fremde bleibt. Hugh Grant in einer seiner ersten grösseren Rollen, spielt Nigel, einen schamhaften Briten. Seigner ist Mimi, eine wagemutige Exhibionistin. Kristin Scott Thomas ist Fiona, Nigels Frau. Sie ist kühl, distanziert und etwas trocken. Scheinbar kann sie mit Mimis Reizen nicht mithalten. Oscar beschreibt, wie er Mimi kennenlernt. Er opfert sich für sie in einem Bus als Oscar merkt, dass Mimi schwarz fährt. Galant steckt er ihr seinen Fahrschein zu und wird aus dem Bus geführt. Er blickt ihr nach und sie ihm. Er wartet immer wieder an der Buslinie, hält Ausschau nach Mimi... Zunächst ist es eine natürliche, reine Romanze. Dann aber schleicht sich Langeweile in die Bezihung. Mimi liebt sadomasochistische Spielchen und Oscar ist fasziniert. Sie steigern sich immer mehr... nun, wir werden herausfinden, wie Oscar im Rollstuhl landete. Nigel sucht immer neue Ausreden vor Fiona, um mehr Zeit mit Oscar zu verbringen. Vor allem aber lauert er auf Mimi. Anfans macht der Film uns Glauben, Oscar sei der Puppenspieler, dann werden wir gewahr, dass Mimi bereits involviert ist. Spielen sie wieder? Ist Nigel der Preis? Das Schöne an Bitter Moon ist die Tatsache, dass alles auch ganz anders kommen könnte. Womöglich kommt Nigel gar nicht mit Mimi zusammen? Ich habe eine extra Sparte für Filme wie Bitter Moon und die heisst "schmierige Altherren Phantasien". Das muss übrigens gar nichts Negatives heissen! Es gibt einige Sex-Szenen (wenn das Paar mit Schweinemasken durch die Wohnung kriecht), da ich laut loslachen musste. Ich denke, es wäre die Leichteste Sache der Welt, sich nun auszulassen über Polanskis schlechten Geschmack. Dazu müssten wir aber bewweisen, für derartiges gänzlich unempfänglich zu sein. Bin ich tatsächlich so erwachsen, so seriös? Bitter Moon ist ein Exzess, Polanski hat ihn kompromisslos und ohne sich zu entschuldigen abgefilmt. Die Kritiker mögen die Nase rümpfen, doch wer weiss: Womöglich hat sich der Eine oder Andere heimlich in eine zweite Vorstellung geschlichen?

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