cinegeek.de's Movie Review of Shame (2011)

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Shame (2011)

Krankheit
cinegeek.de - wrote on 04/19/16

Es gibt eine Nahaufnahme in Shame von Michael Fassbenders Gesicht voller Wut und Trauer. Sein Charakter Brandon hat einen Orgasmus. Sein Körper wird dabei ausgeblendet, genauso wie seine Partnerin. Die Nahaufnahme will uns ausschliesslich zeigen, wie er leidet. Nichts weiter ist Sex für ihn als dass er sich selbst missbraucht. Brandon ist Anfang 30, fit, allein lebend in einem Apartment in Manhattan. Er arbeitet irgendetwas mit dem Computer; was auch immer - es interessiert ihn selbst nicht. Manchmal geht er abends aus mit seinem Chef David (James Badge Dale) in irgendwelche Single Bars. Brandon hat mehr Glück als David und lernt eine Frau kennen. Glück? Es interessiert ihn nicht, Sex ist etwas, dass er ertragen muss. Zum ersten Mal las ich wohl in den 90ern etwas über Sex-Sucht. Auf dem Schulhof wurden Witze darüber gerissen, niemand konnte sich so etwas als Krankheit vorstellen. Heute ist es "anerkannt" als Krankheit. Für Menschen wie Brandon ist es schwer, einen Partner zu finden. Manche mag sich von ihm angezogen fühlen, so wie einige Männer sich von Nymphomaninnen angezogen fühlen. Es ist sehr traurig, denkt man darüber nach. Shame straft die riesige Anzahl an Filmen Lügen, die dem Orgasmus einen Wert grösster Lust beimessen. Brandon wacht morgens auf und wirkt wie ein Mann, der gleich Selbstmord verüben wird. Er duscht und masturbiert das erste Mal. Das erste Mal in einer langen Reihe, sich immer und immer wieder zum Höhepunkt zu bringen. Er reagiert kalt auf Menschen. Auf Prostituierte, Fremde oder Kollegen. In der U-Bahn suchen seine Augen den Blick einer Frau. Das kann als Flirt wahrgnommen werden oder als aggressiver Akt. Brandon lächelt dabei nicht. Sein Leben ist wahrhaft entsetzlich! Eines Tages kommt Sissy (Carey Mulligan), seine Schwester, vorbei. Sie hat gerade keine Bleibe. Brandon wirft sie dennoch hinaus. Es interessiert ihn nicht, weil er auf keinen Fall seine Privatheit zeigen kann. Seine Welt voller Prostituierter, Pornos und Masturbation. Kann er keinen normalen menschlichen Kontakt aushalten? Gibt es etwas in der Kindhet von Brandon und Sissy, dass beide zerstörte? Brandon lebt in einer kalten Umgebung. Wir sehen ihn unterwegs mit einer Gruppe und doch allein. Er weiss, wohin er gehen muss, um Sex zu bekommen. Einmal besucht er eine Schwulen Bar. Brandon ist nicht homosexuell, aber auch nicht hetero. Er liebt niemanden. Er spürt nichts. Sissy braucht ihn verzweifelt und das bietet Anlass für rasende Streits. Wir erleben sie als Sängerin eines Caberets in Nahaufnahme. Ihr Blick verrät Leid und Qualen, aber keine Wut. Es ist eine Szene, die mein Herz brach. Im Grunde hat der ganze Film mich tieftraurig zurückgelassen. Nicht viele Schauspieler hätten den Mut, Brandons Rolle zu spielen. Fassbender muss ein Gefühl immer und immer wieder spielen - bis zum Selbst-Ekel. Eine Besserung ist für seine Figur nicht in Sicht, denn das würde bedeuten, sich selbst anzunehmen, obwohl er sich dessen unwürdig fühlt. Es ist ein grosser Film, doch ich denke nicht, dass ich ihn ein zweites Mal ansehen kann.

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